Das Ende eines Weges ist der erste Schritt einer neuen Reise
Langsam öffnet sie ihre Augen. Das sanfte Licht, das diesem kargen Raum ein wenig Wärme verleiht, lässt sie ihre Umgebung nur schemenhaft erkennen. Sie erinnert sich, als sie vor drei Tagen das erste Mal den Raum betrat, der Kontrast zu dem übrigen Haus, das so modern und mit einem harmonischen Stil eingerichtet ist. Nie hätte sie hier einen solchen Raum erwartet. Die dunklen Steine an den Wänden, die diesem Kerker seinen Charakter verleihen, die Ketten, an denen sie schon mehrfach hing und der Pranger, in dem sie mehrfach am Tag fixiert und benutzt wurde. Daneben gibt es noch einen kleinen Vorraum zur Tür und ein Raum mit Dusche, Waschbecken und WC. Es ist ein luxuriöser Kerker, der nichtsdestotrotz eine beklemmende Stimmung ausstrahlt. Gefangen – keine Möglichkeit zur Flucht und abgeschnitten von dem alltäglichen Leben und den Freuden der Außenwelt. Das die Räume auch mit mehreren versteckten Kameras überwacht werden, weiß sie erst, als sie für Regelverstöße bestraft wurde.
Tamara streckt sich etwas. Das Bett ist nicht unbequem, doch der Unterschied zu ihrem eigenen ist deutlich spürbar. Noch ein wenig will sie liegen bleiben. Wie spät es ist kann sie nicht sagen. Als sie hört, wie die Türe zum Kerker aufgeschlossen wird und das Licht im Raum heller wird, schreckt sie hoch.
Als Tamara in den Kerker gesperrt wurde, hat sie drei Regeln bekommen:
1. Auf ihre Hygiene, sowie ihre körperliche und geistige Gesundheit zu achten und bei den ersten Anzeichen sich zu melden.
2. Vormittags um 11 Uhr und nachmittags um 16 Uhr, sowie wenn das rote Licht angeht, mit verbundenen Augen, gespreizten Beinen und hinter dem Kopf verschränkten Armen vor dem Pranger zu stehen.
3. Rechtzeitig bevor ihr das Frühstück (8:30 Uhr) und Abendessen (18:30 Uhr) gebracht wird, hat sie mit gesenktem Kopf und dem Rücken zur Türe im Vorraum zu knien. Sollte sie nicht dort knien, bekommt sie kein Essen.
Und nun war es ihr wieder passiert, nicht das erste Mal, dass sie die Zeit falsch eingeschätzt hatte. Sie hört wie die Getränke erneuert wurden und die unbekannte Person den Raum wieder verlässt. Tamara blieb liegen. Den Fehler noch schnell in den Vorraum zu huschen und sich hinzuknien hatte sie am zweiten Tag gemacht. Die Striemen für dieses Vergehen waren noch auf Ihrem Hintern zu sehen.
Doch lange kann sie nicht mehr liegen bleiben, denn ein dringendes Bedürfnis veranlasst sie dann doch aufzustehen. Nachdem sie wieder aus dem winzigen Bad kommt, geht sie in den Vorraum. Das leichte Magenknurren lässt sie sich über sich selbst ärgern. Wie gerne hätte sie jetzt die Schüssel mit Müsli und frischen Früchten gegessen oder vielleicht eine Banane. Doch nun bleibt ihr nur der Tee, Orangensaft und stilles Wasser um die Zeit bis zum Mittagessen zu überbrücken. Doch was ihr am meisten zu schaffen macht ist die Einsamkeit, die sie nur verkraftet, da sie das Ende vor Augen hat. „Bis Samstag.“, hatte Petra, ihre Frau, zu ihr gesagt und da heute schon Donnerstag ist, nimmt sie sich vor, die letzten beiden Tage auch noch zu meistern. Ein großes Event soll es am Samstag geben, ein würdiger Abschluss ihre Reise bis hierher und der Beginn ihrer neuen Zukunft. Mehr weiss Tamara nicht und so mischt sich auch ein wenig Nervosität in ihre Vorfreude. Was sich Petra wohl überlegt hat?
Immer wieder wurde Tamara von ihr überrascht, als sie nun vor knapp einem Jahr ihre Sehnsüchte und Wünsche gestanden hat. Diesen tiefen Wunsch nach Veränderung, als sie damals merkte, wie sehr dieses Verlangen in ihr wuchs und entflammte.
Gedankenversunken sinnierte Tamara vor sich hin, an die letzten Monate und Jahre, seit Petra und sie ein Paar sind und darüber hinaus. An die Anfänge, als sie sich selbst neu entdeckte und an diese wundervolle Frau an ihrer Seite, die sich ebenfalls selbst neu entdeckte und die Reise mit ihr gegangen ist. Wie kurz sie sich erst kannten als sie heirateten, und wie sich alles richtig anfühlte bis in den heutigen Tag, als ob sich zwei Seelen gesucht und gefunden hatten.
Viele Gespräche waren es, voller Offenheit, Rücksicht und Respekt, viele ganz kleine Schritte und große Rückschläge, die sie zusammen hierher geführt haben. Zwei Menschen, die im gesellschaftlichen Korsett gefangen waren und gemeinsam sich neu gefunden haben. Eine neue Freiheit, die alles andere als einfach zu schaffen und noch schwerer zu erhalten ist.
Vielleicht, so überlegt Tamara, ist die Zeit in diesem Kerker genau richtig in diesem Moment. Auch wenn sie in den letzten Tagen vielen Menschen sexuell zu Diensten und dies jedesmal anstrengend und Kraft raubend war und vermutlich die nächsten Tage auch noch sein wird, hat sie viel Zeit zum nachdenken und tat dies auch ausgiebig. Und jedesmal fühlte sie dieses unglaubliche Glück Petra an ihrer Seite zu haben und wie tief ihre Liebe ist.
Erneut schreckt Tamara aus ihren Gedanken hoch. WIe spät es wohl schon wieder ist? Sie musste sich rechtzeitig vor den Pranger stellen. Sie ärgerte sich über ihr fehlendes Zeitgefühl. Einer der wenigen Unterschiede zu Petra. Häufig zog Tamara sie auf, dass sie als Kind wohl mal ein Schweizer Uhrwerk verschluckt haben muss, weil sie stets pünktlich ist und bis auf ein paar Minuten hin oder her immer weiß wie spät es ist. Und Tamara überlegt nun angestrengt, ob erst eine oder schon zwei Stunden vorbei sind. Sie geht auf die Toilette, erfrischt sich nochmal, trinkt ein wenig und stellt sich dann vor den Pranger in Position. Die Augen sind mit der Maske schnell verbunden und so steht sie in vollkommener Dunkelheit und wartet auf das was heute passieren wird. Wird es sein wie in den letzten Tagen? Sind es die selben Personen? Kommt vielleicht auch Petra mit und war sie in den letzten Tagen einmal hier? Oder schaut sie vielleicht nur zu? Wie geht es ihr und was hat sie in den letzten Tagen erlebt? Vermisst und denkt sie an mich, wie ich an sie?
Die Minuten verstreichen und Tamara weiß nicht, wie lange sie schon so steht. Sie merkt nur, wie ihre Beine langsam schmerzen und die Arme schwerer werden. Und dann hört sie, wie sich die Tür öffnet und schlagartig reagiert auch ihr Körper, Die Muskeln spannen sich nochmals an, ihre Haltung wird straffer und ihr Atmen ist deutlich schneller. Bevor es ihr selbst bewusst ist, hat ihr Körper schon auf erregt umgestellt und das bekannte Kribbeln stellt sich ein.